Ein Stück Zeitgeschichte an der Comenius-Realschule erlebbar gemacht
Am 23. September erlebten rund 80 Gäste in der Aula der Comenius-Realschule eine besondere Lesung: Die bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin Maja Nielsen stellte ihr Werk Der Tunnelbauer vor. Unterstützt wurde sie von Joachim Neumann, dessen eigene Lebensgeschichte die Grundlage des Romans bildet.
Neumann schilderte eindrucksvoll, wie er Anfang der 1960er-Jahre aus der DDR floh – und anschließend half, mehrere Fluchttunnel nach West-Berlin zu graben. Mit einfachsten Mitteln und unter ständiger Gefahr von Verrat oder Entdeckung gruben die meist studentischen Helfer wochenlang unter der Berliner Mauer. Drei der insgesamt sechs Tunnel, an denen Neumann beteiligt war, führten tatsächlich zum Erfolg und brachten zahlreiche Menschen in den Westen.
Eine Schlüsselrolle spielte dabei auch eine persönliche Erinnerung: ein kleiner Teddybär, den Neumanns große Liebe Chris einst genäht hatte. Dieses Kuscheltier diente später als geheimes Erkennungszeichen und steht bis heute als Symbol ihrer gemeinsamen Geschichte. Schließlich gelang auch Chris die Flucht – die Familie fand später in Frankfurt eine neue Heimat.
Im Gespräch betonten sowohl Nielsen als auch Neumann, wie wichtig es sei, die damaligen Erfahrungen nicht zu vergessen. „Es ist nur ein schmaler Grat zwischen Opfer und Täter“, erinnerte Neumann an die Zwänge der damaligen Zeit. Nielsen hob hervor, dass ihr Buch einen Beitrag zur Verständigung leisten solle – denn die Liebe als Motiv sei universell.
Die Lesung wurde durch den Kleinkunstverein Convenartis, die Stadt Wertheim, die Stadtbücherei und die Buchhandlung Schöningh ermöglicht. Der Auftritt in der Aula der Comenius-Realschule war der Höhepunkt des Aufenthalts in Wertheim, bevor Nielsen am Folgetag die Sechst- und Neuntklässler mit weiteren Geschichten begeisterte – von waghalsigen Fluchten bis zu Expeditionen am Mount Everest.
So bleibt der Abend nicht nur als bewegendes Stück Zeitgeschichte in Erinnerung, sondern auch als eindrucksvolles Beispiel dafür, wie lebendig Geschichte im Schulalltag vermittelt werden kann.